Sirnau und Zell
Der kleinste und der jüngste Stadtteil Esslingens

Von Barbara Scherer
Quelle: Artikel vom 12.05.2023 © Eßlinger Zeitung

Die beiden Stadtteile, die unterschiedlicher kaum sein könnten, verbindet die Geschichte mittelalterlicher Klostergründungen.


Im Hofgut Sirnau sind als steinerne Zeugen der Vergangenheit noch Teile des einstigen Dominikanerinnenklosters erhalten. Foto: Barbara Scherer

Sirnau ist der kleinste Stadtteil von Esslingen. Im Jahr 1932 wurde auf von Deizisau erworbenem Gelände eine Siedlung vorrangig für Arbeitslose geplant. Die Siedler mussten rund 50 Häuser selbst bauen. Erweiterungen folgten, die jüngste in den 80er-Jahren. Ein Kuriosum sind die Straßennamen: Alle sind nach heimischen Vogelarten benannt - außer dem Alemannenweg, der auf die erste nachgewiesene Besiedlung hinweist.

Lange vor der "Randsiedlung für Esslinger Erwerbslose" existierte das Dominikanerinnenkloster, der heutige Sitz des Hofguts Sirnau. Zu Sirnau gehört auch die Neckarinsel, mit stadtrelevanten Einrichtungen wie der Eissporthalle oder dem Tierheim. Jenseits der Dieter-Roser-Brücke liegt das Gewerbegebiet Sirnau.

Schulen und Einkaufsmöglichkeiten gibt es zwar keine, dafür jedoch drei Kirchen und einen Sportverein. Die vergangenen 50 Jahre waren geprägt durch die Erweiterung Sirnaus, durch den Bau der Lärmschutzwand an der B10, durch die geplante und verhinderte Müllverbrennungsanlage sowie den Bau des Polderpumpwerks. Sirnau ist eine grüne Idylle mit kleinen Häusern und engen Wegen zwischen lauten Straßen. Am Rand des Finkenwegs steht die kleine evangelische Kirche, die die Bewohner selbst erbaut haben, daneben das Gemeindezentrum, das Siedlerheim, davor der Dorfplatz mit Maibaum und Spielbereich. "Ja, es ist idyllisch hier, aber es gibt auch Probleme wie den Schleichverkehr, wenn die B10 verstopft ist" erklärt Simone Sauer, die stellvertretende Vorsitzende des Bürgerausschusses (BA), deren Urgroßmutter zu den ersten Siedlern gehört hat. Auch ist Sirnau schnell "abgehängt": Viele aus dem Stadtteil gehen über den Holzsteg auf der Neckarinsel zum S-Bahnhalt Oberesslingen. Als der Steg saniert wurde, dauerte der Weg bis zu 25 Minuten länger. "Wer in Sirnau mobil sein will, kann auf ein Auto nicht verzichten", sagt auch Mirko Engel, der Vorsitzende des Bürgerausschusses. Einen extra Schulbus gibt es nicht mehr, der Schülertransport ist Teil des Linienverkehrs. "Bei Verspätungen oder Ausfall stehen Grundschüler auf der Straße", klagt Engel. Dem evangelischen Gemeindehaus, das als Dorftreff und Veranstaltungsort fungiert, droht das Aus, da die Kirche das Gebäude verkaufen will, und schnelles Internet gibt es nur nah am Gewerbegebiet.

Im Spannungsfeld zwischen der Reichsstadt Esslingen und Württemberg
Zell, der jüngste Stadtteil von Esslingen, liegt zwischen Altbach im Osten, dem Neckar im Süden und Oberesslingen im Westen. Das Wappen mit einem Schwert am Alten Rathaus zeugt von der stolzen Vergangenheit als selbstständige Gemeinde, die im Jahr 1974 mit der Eingemeindung durch Esslingen endete.

Erstmals um 1230 erwähnt, deutet der Name auf ein mittelalterliches Kloster - Cella - hin. Besitzer aus dem klerikalen Bereich wechselten sich ab, darunter auch das Kloster Sirnau. Seit dem 15. Jahrhundert geriet Zell wiederholt in die Kriege zwischen Esslingen und Württemberg mit massiven Zerstörungen.

Seit dem Zweiten Weltkrieg dehnt sich Zell aus: um den alten Dorfkern sowie im Süden zum Neckar hin. Neubaugebiete wie Hangelstein und Mettenhalde und in jüngster Zeit Egert sowie das Esslinger Wohnbau-Projekt an der Alleenstraße haben die Einwohnerzahlen des Stadtteils hochgetrieben. Heute zählt Zell rund 5000 Einwohner, hat drei Schulen, eine gute Infrastruktur mit Läden des täglichen Bedarfs, Apotheke, Haus- und Zahnarzt sowie einen tauglichen Nahverkehr.

Status eines unechten Teilorts
Die Neckarwiesen, das größte Gewerbegebiet der Stadt, teilt sich Zell mit Oberesslingen. Nach der Eingemeindung im Jahr 1974 erhielt Zell den Status eines unechten Teilorts. Darin waren den Zellern ein Ortschaftsrat und gewählte Vertreter im Esslinger Gemeinderat zugesichert. Dieser Status endete im Jahr 2004, als letztmalig gewählt wurde. Seit 2009 vertreten die Mitglieder des Bürgerausschusses die Menschen. Im Gremium ist der Verkehr ein Thema.

Tobias Hardt, der Vorsitzende des Bürgerausschusses, nennt das "Nadelöhr" Bachstraße. "Dort rollt viel Verkehr aus dem Egert ins Tal", sagt er. Auf einem Zebrastreifen sei kürzlich ein Kind angefahren worden. Auch warte man auf den Einsatz des Kleinbusses, der das Gebiet Egert erschließen soll. Die schmalen Straßen dort seien für normale Busse nicht geeignet.

Besonders liegt dem Bürgerausschuss der Platz am Backhaus am Herzen, wie Hardt sagt. "Das könnte ein echter Dorfplatz sein. Man müsste ihn aufmöbeln, mit kommunikationsfördernden Sitzgelegenheiten beispielsweise." Da auf dem Platz ein Brunnen steht, der früher eine Ochsen-Tränke war, könnte nach Wünschen des Bürgerausschusses auch eine Ochsen-Skulptur den Platz schmücken. Die Skulptur gibt es auch schon, aber über die Aufstellung herrscht noch Uneinigkeit.

Rund um die Serie
Motto
Die Stadtteil- und Kreisserie der Eßlinger Zeitung steht in diesem Jahr ganz im Zeichen des Landkreisjubiläums. Der Landkreis wird 50 Jahre alt.
Inhalte
Die Serie beleuchtet, wie sich die jeweiligen Orte in den vergangenen 50 Jahren entwickelt haben. Dabei wird sich zeigen, wie vielseitig die Kommunen im Kreis sind. Schon allein geografisch, da sich das Gebiet von den Fildern übers Neckartal bis hinauf auf den Schurwald erstreckt. Die Serie blickt nicht nur zurück auf die vergangenen fünf Jahrzehnte, sondern betrachtet auch die Gegenwart. Auch, dass jede Kommune mit eigenen Herausforderungen zu kämpfen hat, wird eine Rolle spielen.

 

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