Mobil sein ist ein Muss
Im kleinsten Stadtteil Esslingens hat fast jeder Erwachsene ein Auto, weil alle Alltagsbesorgungen außerhalb erledigt werden müssen.

Von Melanie Braun
Quelle: Artikel vom 25.05.2018 © Eßlinger Zeitung

Die Bewohner von Sirnau haben eigentlich keine Wahl: Sie müssen mobil sein. Denn in dem kleinsten Stadtteil Esslingens gibt es weder eine Schule, noch einen Laden, einen Arzt oder eine Post. Die Sirnauer müssen ihre alltäglichen Besorgungen allesamt anderswo erledigen. Das führt dazu, dass fast alle erwachsenen Bewohner ein Auto haben – laut einer Statistik der Stadt Esslingen ist im Durchschnitt auf mehr als jeden Zweiten der rund 830 Sirnauer ein Fahrzeug zugelassen. Es gibt zwar auch zwei Busverbindungen in den Stadtteil, doch für viele sind diese nicht attraktiv genug.

Denn die Linie 138, die von Berkheim über Sirnau in Richtung Zell fährt, sei eigentlich nur auf die Schüler ausgerichtet, sagt Daniela Kirchner, stellvertretende Vorsitzende des Bürgerausschusses Sirnau. In den Ferien fahre sie nur einmal morgens und einmal abends in Sirnau vorbei – wer mit dem Bus zur Arbeit pendeln wolle, könne sich daher nicht auf diese Linie verlassen. Die Linie 104, die von Deizisau über Sirnau zum Bahnhof Esslingen fährt, sei da zwar zuverlässiger. Allerdings gebe es hier ab und zu Probleme mit den Zeitangaben: „Jeder zweite oder dritte Bus fährt einen Schlenker über das Industriegebiet Oberesslingen, aber die Zeit wird genauso berechnet wie ohne die Schleife, obwohl das länger dauert“, sagt Kirchner. Zudem führen die Busse nur in den Stoßzeiten im Halbstundentakt und ansonsten nur einmal in der Stunde – auch am Wochenende. Es sei ein Teufelskreis: Die Busse führen so selten, weil sie so schlecht genutzt würden – und sie würden so schlecht genutzt, weil sie so selten fahren.

Als Alternative steigen viele Sirnauer auf das Rad – zumindest im Sommer. „Wir sind in der glücklichen Lage, dass hier alles eben ist“, sagt Kirchner. Zudem ist die Anbindung an Radwege gut: Durch eine Radunterführung gelangt man direkt an den Radweg am Neckarufer, über den man in die Innenstadt fahren kann. Und über die DieterRoserBrücke geht es schnell zur SBahnHaltestelle Oberesslingen. „Tagsüber funktioniert das toll, abends nicht so toll“, sagt Kirchner. Denn die Stadt habe vor einiger Zeit beschlossen, am späteren Abend die Beleuchtung auf der Neckarinsel abzuschalten. Dann sei es dort so düster, dass sich viele nicht mehr trauten, mit dem Rad dort entlang zu fahren, geschweige denn zu laufen. Nicht zuletzt, weil es dort bereits einige Fälle von Belästigungen gegeben habe.

Auch auf EBikes seien immer mehr Leute hier unterwegs, erzählt Simone Sauer, ebenfalls Mitglied im Sirnauer Bürgerausschuss. Allerdings sei das vor allem in der Unterführung nicht ganz ungefährlich: „Bei Regen kann es dort richtig rutschig werden“, sagt Sauer. Sie habe schon mehrfach den Krankenwagen rufen müssen, weil Leute mit dem Rad in die Eisenabsperrungen in der Unterführung gerast seien. Elektroautos hingegen gebe es im Stadtteil kaum, ebensowenig eine ETankstelle. „Wo sollte die auch hin?“, fragt Kirchner. Dafür würde dann ja wieder ein Parkplatz wegfallen.

Und davon gebe es ohnehin wenig in Sirnau – zumal angesichts der hohen Autodichte. Die Straßen seien so eng, dass es kaum reguläre Stellplätze gebe. Und weil die Autos immer größer würden, passten sie oft nicht mehr in die Garagen der Häuser. Hinzu kommt der Parkdruck, der vom benachbarten Tierpark Nymphaea hinüberschwappt. Sie beobachteten immer öfter, dass die Leute bei schönem Wetter ihr Auto in Sirnau abstellten und dann den Tierpark auf der Neckarinsel besuchten, erzählen Sauer und Kirchner. Denn dort ist die Zahl der Parkplätze begrenzt, inzwischen sorgen Sicherheitskräfte schon im Vorfeld dafür, dass nicht zu viele Besucher mit dem Auto auf die Insel fahren.

Allerdings könne man das Parkplatzproblem baulich nicht lösen, sind sich Sauer und Kirchner einig – dafür gebe es zu wenig Platz im Stadtteil. Vielmehr müsse man die Zahl der Autos eindämmen, glaubt Kirchner. Sie könnte sich CarSharing als Lösung vorstellen, etwa auf zwei Parkplätzen am Sportplatz. Aber dafür müsste es natürlich einen Anbieter geben, der sich das hier vorstellen könnte.

Zu Fuß kann man sich in Sirnau hingegen gut fortbewegen. Vor allem, seit es den Fußweg einmal längs durch den Stadtteil gibt. Der existiert zwar schon seit fast zwei Jahrzehnten, aber damals habe man ordentlich dafür gekämpft, erzählt Wolfgang Sauer, der lange Mitglied im Bürgerausschuss war. Das hat sich offenbar gelohnt: Noch heute werde der Weg sehr gut frequentiert, erzählen die Sirnauer.

Zu Fuß kann man sich in Sirnau hingegen gut fortbewegen. Vor allem, seit es den Fußweg einmal längs durch den Stadtteil gibt. Der existiert zwar schon seit fast zwei Jahrzehnten, aber damals habe man ordentlich dafür gekämpft, erzählt Wolfgang Sauer, der lange Mitglied im Bürgerausschuss war. Das hat sich offenbar gelohnt: Noch heute werde der Weg sehr gut frequentiert, erzählen die Sirnauer. Ebenfalls gut genutzt werden die Verkehrswege rund um den kleinen Stadtteil herum – zum Leidwesen der Bewohner. „Wir haben den Eindruck, der Verkehr ist noch mehr geworden“, sagt Simone Sauer. Auf der einen Seite von Sirnau rauschen die Fahrzeuge auf der B10 vorbei, auf der anderen Seite die Autos auf der Kreisstraße 1215. Und, als wäre das nicht genug, sind auch noch die Flugzeuge zu hören, die am Stuttgarter Flughafen starten und landen und oftmals auch über Sirnau hinwegfliegen. Doch mit der Geräuschkulisse hat man sich in Sirnau weitgehend abgefunden. Was will man auch tun? Eine Lärmschutzwand zur B 10 gibt es bereits und gegen den Fluglärm sieht man wenig Chancen. Man hofft nur, dass es mit dem sechsspurigen Ausbau der B 10 nichts wird: "Dann wäre Sirnau zur Hälfte weg", ist Wolfgang Sauer überzeugt.

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