Kanaltunnel schützt Gewerbegebiet und Stadtteil Sirnau vor Überflutungen - Bauprojekt vor Abschluss

Vor etwa einem Jahr haben im Industriegebiet Sirnau die Arbeiten zu einem außergewöhnlichen Bauwerk begonnen. Zwar ist davon trotz der kurz bevorstehenden Fertigstellung noch immer so gut wie nichts sehen, es soll aber für die kommenden Jahrzehnte einige Sorgen zerstreuen. Vom Industriegebiet aus wurde nämlich ein Entwässerungstunnel unter der B 10, dem Neckarkanal und der Neckarinsel hindurch bis zu deren Nord­ufer gebohrt, der die Überflutungsgefahr in Sirnau bannen soll.

Quelle: Esslinger Zeitung - 26.05.2008
Von Peter Stotz

Das Gebiet am südlichen Neckar­ufer ist Schwemmland. Auf dem Talgrund aus Stubensandstein lud der Fluss in vielen tausend Jahren eine teilweise mehrere Meter mächtige Schicht aus Kies und Ton ab. Dort versickern die Fluten bei Hochwasser und starken Regenfällen, gleichzeitig wird der gesamte nordöstliche Filderrand über kleine Bachläufe in diesem Gebiet entwässert. Für die Besiedlung war dies alles handhabbar. Zum Problem wurde das Wasseraufkommen am südlichen Neckarufer erst mit dem Ausbau des Neckars zum Schifffahrtskanal. Seitdem liegt der Wasserspiegel des Flusses etwa vier Meter höher als die Wiesen und Felder im Uferbereich. Dieser Ausbau sowie die fortschreitende Bodenversiegelung, die nicht zuletzt das Gewerbegebiet Sirnau mit sich brachte, führten dazu, dass das gesamte Gebiet bei lang anhaltenden und starken Regenfällen mangels Versickerungsflächen nicht mehr ausreichend entwässert wurde. Sumpfige Wiesen und von Überschwemmungen bedrohte Kellergeschosse im Gewerbegebiet waren die Folge. Die Stadtverwaltung Esslingen musste reagieren, um zu erreichen, „dass uns das Gewerbegebiet Sirnau nicht absäuft“, wie Hocine Bellebna, damals Sachbearbeiter beim Eigenbetrieb Stadtentwässerung, zum Start eines Projekts erklärt hatte, das den Sirnauern für viele Jahrzehnte trockene Füße bescheren soll. In etwa einjähriger Bauzeit wurde vom Sirnauer Gewerbegebiet aus ein Tunnel gegraben, der künftig das Oberflächenwasser des südlichen Neckarufers aufnehmen und sicher ableiten wird. Die Arbeiten dazu wurden weitgehend bergmännisch unter Tage von einer ferngesteuerten Maschine durchgeführt. Dieser „Tunnelvortriebsmaschine“ genannte, zehn Meter lange Koloss wühlte sich zunächst unter der Rampe zur Dieter-Roser-Brücke und dann in etwa zehn Metern Tiefe unter der B 10, dem Neckarkanal und dem Neckar durch Sandstein, Kies und Ton. Ein Tunnel von etwa 230 Metern Länge und mit einem Durchmesser von 1,80 Metern wurde geschaffen.

Meißel dreimal ausgetauscht

Diese Wühlarbeit zog sich beinahe über ein Jahr hin, da die Arbeiter und Ingenieure der Tunnelbau-Firma im Untergrund auf unerwartete Schwierigkeiten gestoßen waren. „Der Sandstein war viel härter als erwartet“, beschreibt Wolfgang Klaus, stellvertretender Leiter des Tiefbauamts Esslingen, die Probleme der Mineure. So seien es nicht etwa Klüfte und Verwerfungen gewesen, auf die der Bohrer gestoßen sei, sondern sehr harte Quarzeinschlüsse im Fels, die dazu geführt hätten, dass auf einer Länge von 200 Metern die diamantbestückten Rollen-Bohrmeißel dreimal ausgetauscht werden mussten.

Doch nun ist der Tunnel gegraben, seine Innenwände sind mit Betonrohren ausgestatten. Etwa zwei Millionen Euro wird das Bauwerk insgesamt kosten, das die Sirnauer vor nassen Füßen bewahren soll. Derzeit werden noch die Abschlussarbeiten durchgeführt. Am Nord­ufer der Neckarinsel wurde ein Auslass-Bauwerk erstellt, „offen, nicht bergmännisch, sonst wäre uns die Bohrmaschine in den Neckar gefallen“, erzählt Klaus lachend. In diesem Auslass wurde ein Schieber installiert, der bei starkem Neckar-Hochwasser den Kanal abriegeln kann, damit das Neckarwasser nicht in das Kanalnetz eindringen kann und womöglich an anderer Stelle verheerende Folgen hat. „Wir müssen beim Kanalbau immer das Prinzip der kommunizierenden Röhren beachten“, erläutert Klaus.

In wenigen Wochen wird auch das Neckarufer mit speziellen Flussbausteinen abgestützt und wieder renaturiert und begrünt sein. Dann werde Sirnau „in den nächsten 100 Jahren zu fast 100 Prozent vor Hochwasser geschützt“ sein, erwartet Klaus, der freilich „nicht alles ausschließen“ möchte. „Bei Extremhochwasser kann schließlich alles passieren.“

In wenigen Wochen wird von dem gesamten Großprojekt, außer dem Kanalauslass am Altneckar, nichts mehr zu sehen sein. „Das ist schon auch mit etwas Wehmut versehen“, sinniert Klaus. „So ein Riesenbauwerk, und dann sieht man nichts mehr.“

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