ES-Sirnau: Mit dem großformatigen hölzernen Schild war 1932 zur Besichtigung der ersten Häuser in der „Stadtrandsiedlung“ eingeladen worden.

Von Elisabeth Schaal
Quelle: Artikel vom 13.08.2014 © Eßlinger Zeitung

Auf den ersten Blick sind es nur ein paar beschriftete Holzdielen, die die Begeisterung der Bürgerausschuss- Vorsitzenden Ursula Frantz hervorrufen. Aber „für Sirnau ist das ein Sensationsfund, ein absoluter Hammer.“ Schließlich sind es besondere Bretter, die bei Abbrucharbeiten im Gebäude Finkenweg 3 ans Licht gekommen sind: Sie dokumentieren die Entstehungsgeschichte des Stadtteils, der zu den kleinsten und jüngsten in Esslingen zählt. Ursprünglich fest verleimt, ergaben die Dielen ein drei Meter breites und gut einen Meter hohes Schild. Darauf stehen gut zu lesen die Worte „Ausstellung Stadtrandsiedlung Sirnau vom 1. Juli bis 15. Juli 1932“. Als die ersten Häuser der Siedlung (siehe Anhang) fertig waren, durfte die Esslinger Bevölkerung sie in Augenschein nehmen. Das Schild hing zwischen zwei Fahnenmasten über dem Eingang zur Ausstellung. Zu sehen ist dies auf einem historischen Foto, das die verstorbene Sirnauerin Ingeborg Letzelter in ihrem im Eigenverlag erschienenen Buch „Unser Sirnau“ veröffentlicht hat.


Lackierte Bretter im Dielenboden


Es ist schon anderthalb Jahre her, dass die Bretter gefunden wurden. Thomas Reif hatte damals einen Teil des alten Gebäudes Finkenweg 3 abgerissen, um Platz für einen Anbau zu schaffen. Spät nachts habe er noch den restlichen Dielenboden herausgerissen und auf anderes Abbruchgerümpel geworfen, erinnert sich der Bauherr noch. Bei Tageslicht besehen, seien ihm dann lackierte Bretter aufgefallen. Die habe er daraufhin Stück für Stück zusammengesucht und -gesetzt: „Die sind mit der Holzseite nach oben als Fußboden verbaut worden“, sagt er und zeigt auf rostige Nägel, die auf der beschrifteten Seite herausragen. Der gebürtige Sirnauer, der sich seiner Heimat eng verbunden fühlt, erkannte die Bedeutung seines Funds sofort: „Mein erster Gedanke war, das Schild selbst wieder herzurichten und vielleicht an die Hauswand zu hängen.“ Dann sei ihm aber klar geworden, „dass das für mich eine Nummer zu groß ist und die Profis ran müssen“, gibt der 47-Jährige zu.

„Weißer Fleck auf der Landkarte“

Informiert vom Bürgerausschuss, war das Interesse von Martin Beutelspacher, dem Leiter der städtischen Museen, ebenso geweckt wie das seines Stellvertreters Christian Rilling: „Super“, sagte der nur beim Blick auf die Dielen. Und der Leiter des Stadtmuseums bekannte: „Das habe ich mir etwas kleiner vorgestellt.“ Weil Gegenstände aus der Entstehungsgeschichte der Siedlung fehlten – „das ist ein ziemlich weißer Fleck auf der Landkarte“, so der aus Tübingen stammende Historiker und Kulturwissenschaftler –, sei das Schild für das Stadtmuseum interessant. Schließlich „sind wir nicht nur für die Kernstadt da.“ Weil der Platz allerdings knapp und Depoträume über ganz Esslingen verteilt seien, könne nur gesammelt werden, was im historischen oder kulturgeschichtlichen Zusammenhang mit der Stadt stehe. Was bei dem Schild natürlich der Fall sei. Dass die Hölzer als Bodenbretter herhalten mussten, sieht Beutelspacher positiv: „Da ist ihnen nichts passiert, es gab wenig Bewegung und deshalb ist die Farbe noch so gut erhalten.“

Schild wandert ins Museum

Entdecker Thomas Reif und Ursula Frantz freuten sich über das Interesse vonseiten der Fachleute, hakten allerdings mehrfach nach, wie das denn nun sei mit den Eigentumsverhältnissen. Ob man das restaurierte Stück wohl zurückbekommen könne? Da das Stadtmuseum für die notwendige Restaurierung „Geld in die Hand nehme“, wandere das historische Stück ins Museum, machte Beutelspacher deutlich. Doch wenn der Stadtteil es beispielsweise für eine Ausstellung brauche oder wenn das 100-Jährige der Siedlung gefeiert werde, „dann kriegen sie das“, versicherte der Museumschef mehrfach. Allerdings nicht, „wenn sie ein Grillfeuer machen wollen“, ergänzte er zur Erheiterung der Umstehenden. Die können mit diesem Vorgehen leben, nicht zuletzt, „weil bei uns geeignete Räumlichkeiten zum Ausstellen fehlen“, bedauerte Frantz.

Alles verschafft

Thomas Reif weiß, dass sein Großvater Bernhard Letzelter, der später im Drosselweg 12 gewohnt hat, zu jenen zählte, die die Siedlungshäuser hochzogen. „Bernhard war Maurer. Als damals gebaut wurde, haben die Leute alles verschafft“, sagt Willi Neubauer, Vorsitzender der 1936 gegründeten Siedlergemeinschaft Sirnau, ältester Verein des Stadtteils. Da habe damals eben auch das Ausstellungsschild dran glauben müssen. Dass das Interesse an den Häusern der Siedlung groß gewesen sein muss, lässt sich übrigens am Fundstück ablesen: „Es sieht so aus, als ob die 5 beim 15. Juli mit einer 7 überklebt worden ist“, bemerkte der stellvertretende Bürgerausschuss- Vorsitzende Karl Langpeter nach genauem Hinschauen. Das Foto in Ingeborg Letzelters Buch zeigt dagegen noch das ursprüngliche Datum 15. Juli. Doch auch die Autorin schreibt davon, dass die Häuser „vom 1. bis 17. Juli“ unter dem Motto „Besucht die Stadtrandsiedlung Sirnau“ besichtigt werden konnten.

Restaurator möbelt auf

Dass dem Stadtmuseum sehr an dem historischen Dokument gelegen ist, zeigt sich auch daran, dass es bereits am Tag nach der Besichtigung durch die Profis vom Esslinger Schreiner und Restaurator Joachim Blessing abgeholt wurde. Der soll das Zeitzeugnis im Auftrag des Museums aufmöbeln. „Es gibt schwierigere Patienten“, meinte der Fachmann angesichts des Funds, schließlich „fehlt nicht viel und ich muss nichts ergänzen“. Die einzelnen Stücke wird er zusammenleimen. Weil den einstigen Bauherren die drei Meter langen Dielen wohl nicht ins Baukonzept gepasst haben, wurde einfach knapp ein Teil des Schilds abgesägt. Allerdings hat Thomas Reif zum Glück beide Teile gefunden. Blessing will sie mit einer auf der Rückseite angeschraubten Platte zusammenfügen und sieht darin sogar einen Pluspunkt: „Zum Transportieren oder zum Einlagern lässt sich das Schild problemlos wieder auseinandernehmen, das spart Platz.“


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